Freitag, 25. Februar 2011

Fremde Federn

Meine Lieben,

natürlich sollte man sich nicht mit fremden Federn schmücken, blin einer Meinung folgen oder sinnloch etwas posten.
Wir möchten diesen Tag und diesen Augenblick aber nutzen um ein wirklich großes Statement von Judith Holofernes hier zu verbreiten.
Wir sind auch nicht Guttenberg und geben unser Quelle extra + gerne an!




Sehr geehrte Damen und Herren,

wir sind als Werbeagentur mit der aktuellen BILD-​Kampagne be­traut, in der wir hochkarätigen Prominenten eine Bühne bieten, ihre offene, ehrliche und ungeschönte Meinung zur BILD mitzutei­len.

Derzeit planen wir die nächste Produktionsphase für Frühjahr 2011. Die neu zu produzierenden TV- und Kinospots sowie Pla­kat-​ und Anzeigenmotive sollen die bestehenden Motive von Vero­nica Ferres, Thomas Gottschalk, Philipp Lahm, Richard von Weizsä­cker, Mario Barth u.v.m. ergänzen.

Für diese Fortführung der Kampagne möchten wir sehr gern “Wir sind Helden” gewinnen.

Das schöne an der Kampagne ist, dass sie einem guten Zweck zu Gute kommt. BILD spendet in Namen jedes Prominenten 10.​000,- Euro an einen von Ihnen zu bestimmenden Zweck.

Lassen Sie uns gern telefonieren und die Details besprechen. Zur Detailinformation senden wir Ihnen bereits heute anbei einige wei­terführende Informationen.

Ich freue mich dazu von Ihnen zu hören.
Herzliche Grüße aus Hamburg,
Jung von Matt/Alster Werbeagentur GmbH

Die Antwort der Band, die wir hier mit freundlicher Genehmigung derselben wiedergeben, fiel eindeutig aus:

Liebe Werbeagentur Jung von Matt,

bzgl. Eurer Anfrage, ob wir bei der aktuellen Bild -​Kampagne mit­machen wollen:

Ich glaub, es hackt.

Die laufende Plakat -​Aktion der Bild -​Zeitung mit sogenannten Testimonials, also irgendwelchem kommentierendem Geseiere (Auch kritischem! Hört, hört!) von sogenannten Prominenten (auch Kritischen! Oho!) ist das Perfideste, was mir seit langer Zeit untergekommen ist. Will heißen: nach Euren Maßstäben sicher eine gelungene Aktion.

Selten hat eine Werbekampagne so geschickt mit der Dummheit auf allen Seiten gespielt. Da sind auf der einen Seite die Promis, die sich denken: Hmm, die Bildzeitung, mal ehrlich, das lesen schon wahnsinnig viele Leute, das wär schon schick… Aber irgend­wie geht das eigentlich nicht, ne, weil ist ja irgendwie unter mei­nem Niveau/ evil/ zu sichtbar berechnend… Und dann kommt ihr, liebe Agentur, und baut diesen armen gespaltenen Prominenten eine Brücke, eine wackelige, glitschige, aber hey, was soll's, auf der anderen Seite liegt, sagen wir mal, eine Tüte Gummibärchen. Ihr sagt jenen Promis: wisst ihr was, ihr kriegt einfach kein Geld! Wir spenden einfach ein bisschen Kohle in eurem Namen, dann passt das schon, weil, wer spendet, der kann kein Ego haben, ver­stehste? Und außerdem, pass auf, jetzt kommt's: ihr könnt sagen, WAS IHR WOLLT!

Und dann denken sich diese Promis, im Rahmen ihrer Möglichkei­ten, irgendeine pseudo -​distanziertes Gewäsch aus, irgendwas “total Spitzfindiges”, oder Clever-​ Unverbindliches, oder Überhebli­ches, oder… Und glauben, so kämen sie aus der Nummer raus, ohne ihr Gesicht zu verlieren. Und haben trotzdem unheimlich viele saudumme Menschen erreicht! Hurra.

Auf der anderen Seite, das erklärt sich von selbst, der Rezipient, der saudumme, der sich denkt: Mensch, diese Bild -​Zeitung, die traut sich was.

Und, die dritte Seite: Ihr, liebe jungdynamische Menschen, die ihr, zumindest in einem sehr spezialisierten Teil eures Gehirns, genau wisst, was ihr tut. Außer vielleicht, wenn ihr auf die Idee kommt, “Wir sind Helden” für die Kampagne anzufragen, weil, mal ehrlich, das wäre doch total lustig, wenn ausgerechnet die…

Das Problem dabei: ich hab wahrscheinlich mit der Hälfte von euch studiert, und ich weiß, dass ihr im ersten Semester lernt, dass das Medium die Botschaft ist. Oder, noch mal anders gesagt, dass es kein “Gutes im Schlechten” gibt. Das heißt: ich weiß, dass ihr wisst, und ich weiß, dass ihr drauf scheißt.

Die BILD -​Zeitung ist kein augenzwinkernd zu betrachtendes Trash-​Kulturgut und kein harmloses “Guilty Pleasure” für wohlfri­sierte Aufstreber, keine witzige soziale Referenz und kein Lifes­tyle-​Zitat. Und schon gar nicht ist die Bild -​Zeitung das, als was ihr sie verkaufen wollt: Hassgeliebtes, aber weitestgehend harmlo­ses Inventar eines eigentlich viel schlaueren Deutschlands.

Die Bildzeitung ist ein gefährliches politisches Instrument – nicht nur ein stark vergrößerndes Fernrohr in den Abgrund, sondern ein bösartiges Wesen, das Deutschland nicht beschreibt, sondern macht. Mit einer Agenda.

In der Gefahr, dass ich mich wiederhole: ich glaub es hackt.

Mit höflichen Grüßen,
Judith Holofernes

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